4LYN legen mit "Quasar" eine spannende, abrockende Platte auf den Teller - aber mancher sich selbst so fühlender Alt-Fan gibt sich vergrault; mancher Journalist rümpft wegen angeblicher Stilunsicherheit die erfahrungsgesättigte Nase und zieht Vergleiche zu Korn und Linkin Park. Und dabei haben sich die Hamburger Jungs 4LYN eine vierjährige Pause gegönnt und sind dabei kein Stück weiser geworden; nur besser. Die so geschimpfte Konzeptlosigkeit lässt sich auch als Vielseitigkeit im Metier des Crossover deuten. Gerade dies macht die Musik spannend - man weiß nicht, was als nächstes passiert. Daher sind auch Schubladen wie Nu Metal zu eng, die Sache hat mehr als eine Dimension.
Die Jungs sind professionell, haben schon einiges hinter sich und wollen unter anderem auch gut unterhalten, Geld verdienen und die Leute zum Jubeln bringen; besonders live, was sie definitiv stark drauf haben. "Club Exploitation" ist eine rockender Pop Hymne, glatt wie Babyarsch. "Jewellery" fährt die Pop-Schiene weiter in Richtung schrägen Hip Hop Nu Metal, sehr amerikanisch. Ansonsten mischt sich viel Ästhetik und poppige Melodik mit schmutziger, aber perfektionsbemühter Spontanität und teils elektronisch verzerrter Wildheit. Limp Bizkit wird bei "Train 2.0" angeschnitten; bei "When Alone" mit der Stimmung von U2 geflirtet. "I Am A Phantom" beginnt als Soundtrack und zieht wieder in die Hip-Hop Kurve, äußerst fetzig und von Soundschnipseln unterbrochen; unruhig, klassisch, urban. "10 Minutes Ago" wildert im sanften Indie-Rock-Pop, melodisch, ohrwurmfähig, zum Mitpfeifen. "Frost" startet mit bullerndem Bass, erst beunruhigend elektronisch, im Refrain sehr eingängig als Pop und dreht in Depeche Mode-Modus. Ballade "Hollow Man" rundet mit Klavier, Streicher und Stimme im Duett den Bogen ab, macht auf die Sanfte den melancholischen Rausschmeisser.
Ein fieser Querschnitt durch die - auch eigene - Rockgeschichte der letzten 12 Jahre. Ein Schrank voller Schubladen, und in jeder Schublade ein Song - von Metal bis Hip Hop, von Rock bis Pop. So gesehen kein Crossover - jedenfalls keine Zusammenführung von Stilen innerhalb eines Songs - sondern eher Potpourri: Jeder Song vertritt für sich sein Genre. Die Jungs haben alles rein gepackt, was ihnen in den Sinn kam, Einflüsse von früher, Ideen von heute, Gedanken an morgen. Das mag nicht jeder. Das setzt Flexibilität voraus, aber dann gibt es für jeden was zu entdecken.
Abgesehen vom extrem abwechslungsreichen Songwriting gilt auf dieser Grundlage auch weiterhin, dass Ron Cazzato zu den starken Vokalisten mit Charisma und Wiedererkennungswert in der Stimme gehört, der der Vielseitigkeit der Band voll gerecht wird, leicht heiser, von sanft melodisch bis fauchend böse. Gut, die Platte ist bei all diesen Zutaten eins nicht: experimentell. Hier könnte für die Zukunft noch potentiell Potential der Band verborgen sein - nachdem sie all diese Erfahrungen verdaut haben, den Weg in wildere, noch unbekannte Gefilde zu wagen, zu riskieren, auch mal diesen Weg zu verlieren, jedenfalls Neuerungen auszuprobieren und damit etwas zu erreichen, dessen Mangel ihnen auch von der einen oder anderen Seite vorgeworfen wird, nämlich ein deutlicheres, eigenes Profil aufzubauen, das ganz klar beim Anspielen eines Songs den Ausruf provoziert: "Ah, 4LYN!"
Tracklist: 01. My Guide
02. Someone`s Got 2 Do It
03. Club Exploitation
04. Jewellery Store
05. Train 2.0
06. When Alone
07. I Am A Phantom
08. 10 Minutes Ago
09. M.O.N.E.Y.
10. Both Of Us
11. Frost
12. Hollow Man
Ron Cazzato - Gesang
Dennis Krüger - Gitarre
Björn Düßler - Bass
Sascha Carrilho - Schlagzeug
Andreas Torneberg
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